Reinhard Mey Ich liebe meine Küche

Ich liebe meine Küche,
Wir sind ein schönes Paar.
Ich mag ihre Gerüche
Und ich mag ihr Inventar.
Da sind noch andre Zimmer,
Doch darin bin ich kaum.
Irgendwas zieht mich immer-
Fort zurück in diesen Raum.
Und ich spürï ganz deutlich während jedes
Schmauses:
Die Küche ist das Herz des ganzen Hauses.

Wir zwei ähneln einander,
Mal ist sie blitzeblank,
Mal total durcheinander
Und mal fehl'n Tassen im Schrank.
Mal ist sie wirklich eklig,
Mal eine wahre Zier,
Manchmal schlicht unerträglich,
Ganz genauso geht's mit mir.
Sie ist zu meiner Persönlichkeit der Schlüssel
Und erklärt mir manchen Sprung in mancher
Schüssel!

Wie oft gingen die Wogen
Darin hoch zwischen uns zwein.
Da sind Teller geflogen,
Wie kann so was befrei'n!
Was haben wir gestritten,
Was haben wir versiebt!
Und uns danach inmitten
Der Ruinen doch geliebt!
Wieviele Tränen haben wir beide vergossen
Und Sektkorken in die Decke geschossen!

Ich aß bei Paul Bocuse.
Ich aß bei Manne Pahl.
lch aß in der Kombüse,
Und ich aß im Wartesaal.
Ich aß überall gerne
Und meinen Teller leer.
Und doch fehlt in der Ferne
Mir meine Küche sehr.
Und ich frage mich, wenn ich ausgehï schon zerrissen,
Ob mich meine Kass'rollïn wohl auch vermissen.

Der Gasmann darf zum Zähler,
Der Klempner darf ins Klo,
Der Hauswart in den Keller,
Und die Post darf ins Büro.
Ich hörï Vertretersprüche
Im Hausflur, doch allein:
Ich lassï in Herz und Küche
Nur meine Freunde rein.
Denen aber gönn' ich dann die feinsten Happen,
Meinen Treteimer und gar meine Topflappen.

Da sitzï ich nun und denke,
Halt' meinen Monolog,
Der Ort ist meine Tränke
Meine Krippe und mein Trog.
Da wohnen Knoblauchdünste,
Riesling und Blumenkohl,
Musen und schöne Künste,
Ja, da ist mir so sauwohl.
Und müßte ich eines Tags wirklich ableben,
Dann möcht' ich gern hier den Löffel abgeben!