Reinhard Mey Der Nasenmann

Ich nehm' den Fahrstuhl früh am Morgen, dräng' mich zwischen die Meute,
nehm' die Witterung auf: lauter wohlduftende Leute,
eingesprüht und eingekremt und eingepfercht, dicht beieinander
- Davidoff und Calvin Klein,Döner Kebab und Jil Sander,
von hinten Joop, von vorne Dior, und als der Fahrstuhl hält,
steigen noch zwei dazu - HB und Lagerfeld.
Im vierten Stock paar'n sich 4711 und Odol,
und im sechsten Chanel No. 5 mit Restalkohol.
Styling Gel, Intimspray, der Fahrstuhl wird noch voller,
im achten Stock versagt schon mal ein Deoroller.
Das Anhalten, das Losfahr'n, Magensenken-Magenheben,
Bodylotion, Aftershave - ich glaub', ich muss mich
übergeben!
Es ist so eng, dass ich mich kaum erbrechen kann,
es gelingt mir schliesslich doch - ich bin der Nasenmann!

Ich trag' ein N auf meiner Mütze, das zeigt dir an: Ich bin der Rächer der
Geruchlosen, der Nasenmann. Nimm das Z von "Zorro", dreh's um neunzig Grad,
und dann wird aus dem Z ein N - und das heisst "Nasenmann"!

Ich hab' 'ne Karte für "Nabucco", Parkett, fünfte Reihe, Mitte,
mein Nachbar transpiriert, kalten Tabak, kalte Fritte,
und in der Reihe vor mir erinnert mich ein Opa
vom Geruch her unerhört an das Phantom der Oper.
Mein Hintermann lehnt sich vor und schnauft mir aufgeregt ins Ohr,
der riecht allein schon wie der ganze Gefangenenchor!
Die Dame neben mir verströmt den schweren Maiglöckchenduft,
gleichzeitig scheint mir, kommt ihr Atem gradewegs aus der Gruft,
und aus der räudigen Pelzjacke spür' ich den ungesunden
Hauch von Mottenkugeln und nassen Deutschen Schäferhunden!
Passt auf, ihr Opernfreunde, gleich geb' ich mir die volle
Dröhnung, 'ne als Konfekt getarnte ganze Knoblauchknolle:
Woll'n doch mal seh'n, ob ich die Oper nicht allein hör'n kann...
Die Reihe lichtet sich - ich bin der Nasenmann!

Ich trag' ein N auf meiner Mütze, das zeigt dir an: Ich bin der Rächer der
Geruchlosen, der Nasenmann. Nimm das Z von "Zorro", dreh's um neunzig Grad,
und dann wird aus dem Z ein N - und das heisst "Nasenmann"!

Du kennst mich als Ästhet, du kennst mich sonnig, mild und friedlich,
doch jetzt werd' ich militant, jetzt bin ich gar nicht appetitlich!
Es geht um Umweltverpester, um Atemluftverbraucher,
um Körperverletzer: um Zigarrenraucher,
im Restaurant das niederträchtige Parfumattentat,
die Ohnmacht, wenn man dem nichts entgegenzusetzen hat.
Es geht um Nasenbeleidigung, eine Form von Gewalt,
feige Geruchsverbreitung aus dem Hinterhalt,
es geht um Teufelswerk wie Tannennadelduft auf der Toilette,
wo es dann riecht, als ob da wer in den Wald genotdurft hätte!
Du kannst die Augen schliessen, Pfropfen in die Ohren treiben,
nur die Nase muss atemtechnisch leider immer offen bleiben,
d'rum brauchst du einen, der furchtlos für dich stänkern kann,
du brauchst 'nen Freund wie mich - du brauchst den Nasenmann!

Ich trag' ein N auf meiner Mütze, das zeigt dir an: Ich bin der Rächer der
Geruchlosen, der Nasenmann. Nimm das Z von "Zorro", dreh's um neunzig Grad,
und dann wird aus dem Z ein N - und das heisst "Nasenmann"!

Du schnuchelst, und du schnüffelst, du schnupperst mich an, keine Angst,
trau dich ran - ich bin der Nasenmann!

Ich trag' ein N auf meiner Mütze, das zeigt dir an: Ich bin der Rächer der
Geruchlosen, der Nasenmann. Nimm das Z von "Zorro", dreh's um neunzig Grad,
und dann wird aus dem Z ein N - und das heisst "Nasenmann"!