Hannes Wader Arschkriecher-Ballade

An einem trueben Tag, als er gerade vierzehn war,
eben wuchs auf seiner Brust das erste blasse Haar,
spielte er fuer sich im Wald, da rief sein Vater ihn herein,
brachte ihn zu seiner Mutter, liess ihn dann mit ihr allein.
Den Kopf mit Waldgeschichten voll gestopft bis an den Rand,
drei Federn noch im Schopf, Pfeil und Bogen in der Hand,
stand er da ganz nackt und seine knochige Gestalt
war von Kopf bis Fuss mit bunten Kriegszeichen bemalt.
Seine Mutter strich um ihn herum und deutete dann
mit dem Blick auf seinen rot-weiss-gruen gestreiften Pillermann;
sagte: Ach, mein Junge, wenn du schon so gerne malst und schmierst,
sorge ich dafuer, dass du was Kuenstlerisches wirst.
Kurze Zeit darauf fand sich ein Warenhaus bereit,
ihn als Schildermaler einzustellen, mit einer Probezeit.
Er bestaunte, dass ihm tagelang der Mund weit offen stand
in dem grossen Hause all die neuen Dinge, die er fand.
Schoene Menschen gab es dort, mit Gesichtern, glatt und weich
und er schaute in den Spiegel, lief schnell weg und fragte gleich
einen unrasierten alten Mann mit eckigem Gesicht:
Warum sind wir beide denn so haesslich und die andern nicht?
Wenn´s dein Wunsch ist, sprach der Mann, so wie die anderen zu sein,
halte dich an deinen Chef, kriech ihm einfach hinten rein!
Das uebst du fleissig, bis sich dein Profil schoen sanft und glatt
an der Darmwand deines Vorgesetzten abgeschliffen hat.
Und schon wandte sich der Junge an den sauberen Verein
mit dem heissen Wunsch, bald auch so ein schoener Arschkriecher zu sein.
Doch da zeigten sich die Menschen sehr verwundert und empoert,
taten so, als haetten sie dieses Wort noch nie gehoert.
Sie packten ihn am Arm, fuehrten ihn in einen Raum,
da hing ein hoher Vorgesetzter, hoeher als ein Baum
von der Zimmerdecke, festgeschnallt auf einem Stuetzkorsett,
Dessen nackter Hintern pendelte schoen glaenzend, bleich und fett;
wie ein praller Gasballon, nur zigtausend mal so schwer,
als die Tuer aufging, kaum wahrnehmbar, im Luftzug hin und her.
Der Junge spuerte, als das dicke Ding da vor ihm schwang,
eine sanfte Hand im Nacken, die ihn in die Knie zwang.
Und da fand er sie, die Oeffnung, ganz tief unter, gar nicht gross
und er jauchzte laut vor Freude und sofort liess man ihn los.
Er atmete tief ein, bohrte dann mit aller Macht
seinen duerren Knabenkoerper in den engen, dunklen Schacht.
Doch im naechsten Augenblick ein heisser Druck, ein Donnerschlag,
und als er darauf halb betaeubt in einer Ecke lag,
einen Mann vor Schmerz laut bruellen hoerte, war ihm endlich klar,
dass er als Afterkriecher voellig ungeeignet war.
Er befuehlte sein Gesicht, es war noch alles wie vorher,
nur mit der scharfen Kruemmung seiner Nase hatte er
dem Vorgesetzten nicht allein den Schliessmuskel geritzt,
sondern ihm auch noch der Laenge nach den Mastdarm aufegschlitzt.
Voller Angst sah er jetzt, wie die schoenen Menschen um ihn her
haesslich wurden und ihn schlugen, und schon spuerte er nichts mehr.
Als er dann erwachte sah er jenen alten Mann mit dem eckigen Gesicht, er kroch hin und schrie ihn an:
Ich hab die Menschen jetzt, wie sie wirklich sind, geseh´n
und ich krieche auch nie wieder, davon wird man gar nicht schoen.
Ich will wiessen, alter Mann, was ist mit den Leuten los;
wenn sie schon nicht huebscher werden, warum kriechen sie denn bloss?
Schwer zu sagen, sprach der Mann, manch einer kriecht ja auch nicht gern
und er meint, er muss es tun, um die Familie zu ernaehr´n.
Dem andern macht es Spass, er schafft sich Frau und Kinder an,
als Vorwand, nur damit er besser arschkriechen kann!